Moussa Mbarek

Das Leben in Bildern – Die Sprache der Hände

Niemand ist illegal

Keine medizinische Versorgung, keine Chance auf Schule oder Job. Kurzum: kein Zuhause

Staatsangehöriger eines bestimmten Landes zu sein, ist für viele Menschen selbstverständlich. Sie können deshalb kaum nachvollziehen wie es wäre, keine Staatsangehörigkeit zu haben. Dennoch gibt es weltweit zehn Millionen, europaweit 600.000 und in Deutschland 13.000 Menschen, die kein Land als die Seinen betrachtet.

„Staatenlos sein, ist wie blind sein. Man geht aus der Haustür und hat auf nichts Zugriff“, sagte die Sprecherin des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Carlotta Sami.

Illegal im eigenen Land

Mit den neuesten Verordnungen der libyschen Behörden wird jetzt manifestiert, was seit Jahrzehnten als „vorübergehend“ bezeichnet wurde. Seit meiner Geburt vor über dreißig Jahren lautet der Eintrag zur nationalen Identitätsnummer in meinen Identitätsnachweisen immer wieder „Familienbuch in Bearbeitung“.

Seit diesem Jahr werden Kinder der Tuareg im Personenstandsregister jedoch nicht einmal mehr erfasst. So werden Kinder von Geburt an zu Illegalen im eigenen Land gemacht. Sie sind unsichtbar.

Die Kinder der Tuareg haben keinerlei Recht mehr, zur Schule zu gehen. Sie werden nie eine Ausbildung beginnen können und sind zu einem Leben im Schatten verdammt.

All das ist mir auch widerfahren und es prägt mein Leben bis zum heutigen Tag. In Libyen habe ich keine Staatsbürgerschaft und in Deutschland wird mir auf Grund meiner fehlenden Identitätsnachweise die Teilhabe an der Gesellschaft erschwert.

Aber wir werden es nicht länger hinnehmen

Im Februar 2020 gründeten Organisationen der Zivilgesellschaft sowie Sozial- und Menschenrechtsaktivisten in Südlibyen, ausgehend von meiner Heimatstadt Ubari, eine friedliche Bürgerbewegung um der fortschreitenden Diskriminierung der Tuareg ein Ende zu setzen.

Ziel dieser Bewegung ist es, das Bewusstsein für unsere Rechte zu schaffen und zu schärfen und alle legalen Mittel zu nutzen, um unsere Rechte einzufordern.

Das Leiden eines breiten Teils der libyschen Bevölkerung muss aufgezeigt werden, insbesondere in der südlichen Region, die seit Jahrzehnten der Ausgrenzung und Rassendiskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sind.

Diese neuen Verordnungen sind Ergebnis der seit mehr als vierzig Jahren andauernden politischen Rivalitäten, sowie Stammesstreitigkeiten und regionalen Launen der zuständigen Behörden.

Wir fordern die Beendigung aller Formen der Diskriminierung im Umgang mit den Tuareg. Ein Land muss die Rechte seiner Kinder ohne Diskriminierung berücksichtigen.

Die neue Generation muss ermutigt werden, frei von Angst, Schwäche und Unwissenheit zu sein, um die Ungerechtigkeit, Marginalisierung und Ausgrenzung, die jahrzehntelang gegen sie praktiziert wurde, abzuschütteln.

Für unseren geliebten Süden wollen wir gemeinsam arbeiten an den Werten der Partnerschaft und des friedlichen Zusammenlebens, einer Gesellschaft in der die Menschenrechte gesichert sind und soziale Ruhe, Gerechtigkeit, Wohlstand und Frieden vorherrschen.

Wir fordern Gerechtigkeit und Gleichheit für die Einhaltung der höchsten religiösen und menschlichen Werte im Umgang miteinander.

Wir fordern Offenheit, Akzeptanz,Respekt und die Erfüllung unserer Rechte von den Mitarbeitern der Behörden und Institutionen.

Wir arbeiten daran, enge Beziehungen zwischen allen Betroffenen der Region aufzubauen, um flächendeckend unsere Rechte einzufordern und zu schützen.

Wir müssen mit einer Stimme sprechen.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden eine Reihe völkerrechtlicher Instrumente entwickelt, um das Problem der Staatenlosigkeit einzudämmen und die Situation der Betroffenen zu verbessern. Das „Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954″und das„Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961″zählen zu den wichtigsten Dokumenten. Beiden ist Libyen am 16. Mai 1989 beigetreten.

Mehr zum Thema Staatenlosigkeit beim UNHCR, in der Broschüre Staatenlosigkeit verhindern – Staatenlose schützen (PDF) und auf reworld.org

Staatenlosigkeit: Afrikas vergessenes Problem – Deutsche Welle vom 11.2.2019

Vogelfreie der Moderne – taz vom 17.11.2014

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