Moussa Mbarek

Das Leben in Bildern – Die Sprache der Hände

Vita

Moussa Mbarek

ⵎⵓⵙⴰ ⴰⵎⴱⴰⵔⵉⴽ

Afrika – Tenere

Mein Name ist Moussa Mbarek und ich bin vor fast zehn Jahren aus Libyen geflüchtet und lebe seither in Dresden. Ich bin Tuareg und komme aus Ubari, einem Oasengebiet im Südwesten Libyens.

Heute bevölkert mein Volk weite Wüstengebiete, die sich über Libyen, Algerien, Niger und Mali erstrecken. Als in den 1970er Jahren in der südlichen Sahara eine große Dürre, einhergehend mit einer gewaltigen Hungersnot ausbrach, und viele Tuareg den Tod fanden, war es Gaddafi, der den Tuareg eine Staatsbürgerschaft anbot, wenn man die arabische Nationalität annahm. Meine Familie hat sich dem nicht unterworfen. Das Verlieren der eigenen Identität als Tuareg, kulturell wie politisch vereinnahmt zu werden, war unerträglich für sie.

Mein Ziel war es immer zu studieren. Zwischen meinem Wunsch Ingenieur zu werden oder Kunst zu studieren, stand meine Herkunft.

Verschlossene Türen

Mit der Entscheidung meiner Eltern verschlossen sich viele Türen. Man besitzt keinen Pass, ist staatenlos und wird ein Leben lang als Mensch zweiter Klasse behandelt. So war es auch mir nicht möglich, zu studieren oder zu reisen. So konnte ich nach der Schule immer nur als Ungelernter arbeiten, egal ob in Autowerkstätten oder in der Logistik.

Als die Konflikte in Libyen ein normales Leben so unerträglich machten, dass man jederzeit von den rivalisierenden Milizen erschossen werden konnte und der Lohn nicht zum Überleben reichte, wurden meine Bilder düsterer. Nach meiner Inhaftierung, gab es den Tag, an dem ich wusste, dass ich mein Land verlassen muss. Das Land welches mir keine Zukunft schenkt. Ich hatte kein Ziel, außer dem Wunsch Hoffnung zu haben.

Erst jetzt habe ich den Mut gefunden, davon zu erzählen. Viele meiner Landsleute haben das gleiche erlebt. Ich wünsche mir, dass auch sie die Kraft finden, darüber zu sprechen.

Träume

Aber in meinem Kopf waren Bilder. Jeden Tag und jede Nacht. Ich hatte Papier, Bleistift und Buntstifte. Alle meine Erinnerungen und Sehnsüchte färbten sich bunt und legten sich auf das weiße Papier zum Schlafen. Und so ist es bis heute.

„Mit Sicherheit gut ankommen“ war ein sozial-kulturelles Schiffsprojekt zu Flucht und Migration mit Skulpturen des dänischen Künstlers Jens Galschiøt. Weitere Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Mit_Sicherheit_gut_ankommen
„Mit Sicherheit gut ankommen“ – Schiffsprojekt mit Skulpturen von Jens Galschiøt.

Borderline

Es gab die Wahl zwischen dem Sterben im Krieg im Süden und dem Ertrinken im Norden. Ich habe mich, wie viele andere Menschen, auf den Weg gemacht, übers Meer, nach Italien. Italien wollte mich nicht, ich sollte innerhalb von 10 Tagen das Land verlassen.
Wie ein Paket – Unerwünschte Sendung.

Europa

Ich habe die Sprache gelernt. Ich möchte gerne einen Beruf lernen. Und ich möchte irgendwo ankommen. Vier Jahre habe ich ver-geblich gekämpft, hier bleiben zu dürfen. Irgendwo anzukommen.

Aber ich bin weiter gekommen auf dem Weg, mich anderen mitzuteilen. Ich habe hier die Möglichkeit, neue künstlerische Techniken zu lernen, mit Tusche zu zeichnen, Plastiken zu modellieren oder die Klarheit des Holz- und Linolschnitts für mich zu nutzen.

Nach bestandener Sprachprüfung konnte ich dann als Steinmetz mein Können erproben. Derzeit lerne ich in einer Kunstgießerei viel Neues.

Im Frühling 2019 hatte ich dann das große Glück als Gaststudent an der HfBK Dresden im Bereich Theaterplastik studieren zu dürfen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bedanken für die große Unterstützung und Ermutigung die ich dort erfahren habe. Besonders bei Prof. Ulli Eisner und Robert Frenzel.

Ich hatte das Glück viele Menschen in Dresden kennenzulernen. Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass ich dazugehören kann.

Seit 2019 arbeite ich auch im Programm „Zeugen der Flucht“. Es ist ein Verein, indem wir antirassistische Bildungsarbeit leisten. Dazu organisieren wir Unterrichtsbesuche sowie Projekttage an Schulen um mit den jungen Menschen direkt in Kontakt zu kommen.

Im Sommer 2020 habe ich meine letzte Chance ergriffen und einen Antrag bei der sächsischen Härtefallkommission gestellt. Viele Freunde haben mir geholfen, sie haben Unterstützerschreiben geschrieben und achthundert Unterschriften gesammelt. Im Dezember erhielt ich dann einen Aufenthaltstitel für ein Jahr. Die Verlängerung, so steht es im Schreiben der Ausländerbehörde, ist von der Vorlage meines Passes abhängig.

Noch immer kämpfe ich um die Anerkennung meiner Staatenlosigkeit. Es scheint ein endloser Weg zu sein. Aber ich werde nicht aufgeben.

in der Grafikwerkstatt Dresden

Sprache

Endlich habe ich eine Sprache, die jeder verstehen kann. Es gibt den Schmerz und die Ungerechtigkeit die mir manchmal keine Ruhe lassen. Aber es gibt auch die Wüste. Das Gelb der Dünen, das Blau des Himmels und das Weiß der Sonne am Morgen. All das ist in meinen bunten Bildern. Eine Hommage an unsere Kultur, an das was schon lange war und an das was die aktuelle Politik überleben wird.

Was macht den Wert des Menschen aus?

Das wonach er sucht.

© 2024 Moussa Mbarek

Thema von Anders Norén